Soziale Phobie

Ja, die Therapie geht weiter und ich beschäftige mich damit. Und da mir Aufschreiben und Worte finden immer ganz gut hilft, beschäftigt ihr euch jetzt auch damit.

Wenn sie noch einmal sagt, dass ich mich nicht achte und wertschätze, dann schreie ich. Dieser Satz macht mich wirklich, wirklich aggressiv! Aber ich denke eh darüber nach, aufzuhören, wobei wir jetzt gerade an einem Punkt angekommen sind, an dem es nach Flucht aussieht.

Die letzte Diagnose lautet: Soziale Phobie

Ich denke, damit liegt sie grundlegend nicht verkehrt. Nachdem ich anfangs erstmal heftig abgewehrt habe, da ich einige Phobiker kenne und mich keinesfalls in deren Situation (Panikattacken, Schwierigkeiten in normalen Alltagssituationen) sehe. Aber natürlich kann eine Phobie verschieden stark ausgebildet sein und durch meine extremen Kontrollmechanismen habe ich alles gut im Griff, sodass ich die Symptome niemals als krankhaft einstufen würde. Aber wie sagt man so schön, man kommt immer kränker vom Arzt wieder, als man hingegangen ist.

Meine Selbsteinschätzung sagt: Ich bin sehr introvertiert und schüchtern, aber kann eigentlich ziemlich gut mit Menschen, wenn ich mich denn dann mal dazu überwinde, etwas in die Richtung zu tun.

  • Ja, ich bin nervös, wenn ich vor Leuten reden muss
  • Ja, ich bin nervös bei Bestellungen / Anrufen / live-support Chats
  • Ja, ich erröte unglaublich schnell und bekomme schwitzige Hände
  • Ja, ich weigere mich, in einem MMO in Random Gruppen zu gehen
  • Ja, ich vermeide, mich in anderer Leute Leben zu drängen und jemanden anzurufen, ihn bei FB zu adden oder ne Mail zu schreiben (wir reden hier von neuen Menschen, die ich nicht näher kenne, nicht Freunden – wobei ich auch Freunde nicht ungefragt anrufe)
  • Ja, ich tue mich schwer, Blogeinträge/Tweets zu veröffentlichen, weil ich mir Gedanken darüber mache, was meine Leser darüber denken
  • Ja, ich kann Leuten schlecht sagen, dass ich etwas nicht möchte, weil ich mir Sorgen mache, dass ich sie damit vor den Kopf stoße

Objektiv betrachtet sind das klare Anzeichen für eine Soziale Phobie, aber eigentlich lässt sich das doch auch prima mit Introvertiertheit / Schüchternheit erklären, oder? Ich habe keine wirklichen Angstmomente, ich mache mir nur Gedanken oder werde nervös. Und wenn etwas schief geht, kann ich immer darüber lachen und mache mir nie lange einen Kopf darum. Klar ist es in dem Moment kurz peinlich, aber danach ist es vorbei.
Mein Standardbeispiel dafür sind immer die “Konzerte” bei meinem Gesangslehrer. Das ist eine kleine Gruppe, fast nur aus uns Schülern und in 6 von 7 Konzerten habe ich verkackt. Ich war so nervös, dass ich die Kontrolle über meine Stimme verlor und quakend wie eine Ente eingesetzt habe. Ich musste jedes Mal das Stück abbrechen und neu ansetzen. Und ja, das macht mich vorher schon schrecklich nervös, aber wenn es dann passiert, dann kann ich ganz souverän damit umgehen und danach läuft alles prima. Der Worst Case ist eingetreten, also kann es jetzt nur noch besser werden. Das klingt doch eigentlich ziemlich gesund, oder?

Es steht jetzt im Raum, stimmungsaufhellende Maßnahmen zu ergreifen und Cortisol zu senken. Ich komme mir dabei vor, wie so ein Möchtegern. Ich habe wirklich viele psychisch kranke Menschen mit fiesen Problemen in meinem Leben und weiß, wie schwer sie sich tun. Ich sehe, wie sehr sie kämpfen müssen.
In meinen Augen geht es mir prima und ich bin zufrieden und happy mit meinem Leben. Das bisschen Introvertiertheit ist manchmal ein bisschen lästig, aber nichts, womit ich nicht umgehen könnte. Die Vorstellung, dass ich, der ich der stabilste und ruhigste Mensch bin, den ich kenne (naja, fast wenigstens) jetzt plötzlich über Stimmungsaufheller nachdenken soll, ist so strange.
Heutzutage braucht man eine psychische Erkrankung, um dazuzugehören… Bei Twitter sind alle irgendwie kaputt… So fühlt es sich für mich an, weil ich mich mit Leuten wie meiner Schwester vergleiche, die seit Jahren arbeitsunfähig ist und unter Antidepressiva steht, weil sie an schlechten Tagen nicht mal Bus fahren kann, ohne Panik zu haben und selbst an guten Tagen hat sie Beklemmungen.

Es gibt noch mehr Facetten, die mir dabei zu denken geben und den Wunsch wecken, die ganze Sache sein zu lassen. Das wäre jetzt zu viel für diesen Rahmen, aber in meinen Augen stimmen da viele Verhältnismäßigkeiten einfach nicht. Und ich bin unsicher, wie weit ich mich da rein ziehen lassen sollte und ob ich damit nicht tatsächlich eher irgendetwas aufputsche, was schon ok ist.
Sie hat mich als Therapie-resistent eingestuft (auch ein Grund für die Stimmungsaufheller und das Cortisol), sodass ich mich bald entscheiden muss, ob ich weiter mache, oder nicht. Denn wenn ich mich nicht darauf einlasse, dann ist alles weitere reine Zeit-/Geldverschwendung.
Sie hat mir eine Liste von Lebensmitteln gegeben, mit denen man das Cortisol natürlich senken kann (Walnüsse, getrocknete Aprikosen, Tomaten und Pflaume oder Kiwi). Das habe ich jetzt immerhin mal angefangen und werde mir das für 2 Wochen anschauen, ob sich da irgendwas tut. Der nächste Schritt wäre dann Johanniskraut und danach… Psychiater.
Alternativ kann/muss ich halt sagen, ich lebe damit und finde mich und mein Leben so, wie es gerade ist, ziemlich dufte, also sind wir hier fertig.

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