Volkstrauertag Ja, so heißt dieser Sonntag zu Recht, denn ich habe einen meiner besten Freunde verloren, in nur 12 Stunden wechselte das Leben von “alles prima” zu “er hat es hinter sich”. 12 Stunden und ich kann immernoch nicht aufhören, um meinen Kater Merlin zu weinen.
Gestern Abend um 10 war noch alles in Ordnung und er hat meine Schwester fröhlich begrüßt. Um 11 ging ich raus, weil ich komische Geräusche hörte, aber nur erwartete, einen Kater kotzen zu sehen, aber es war weit mehr als das: ein Kater, der sich übergab und ganz offensichtlich in einer Sekunde die Kontrolle über seine Hinterläufe verloren hatte und kurz darauf den Versuch, aufzustehen, aufgab und apathisch liegen blieb.
So schnell ich konnte, packte ich das arme Tier ein und fuhr zur Tierklinik, die glücklicherweise nicht so weit weg von uns ist; mich im Taxi an seine Wimmerlaute haltend, weil er dann wenigstens noch lebt. Als wir ankamen, übergab er sich und wurde trotz vollen Wartezimmers gleich rein geholt. Diagnose: Herzfehler, Atembeschwerden, Wasser in der Lunge, ein Thrombus, der die Vene zu den Hinterläufen versperrt. Er bekam Schmerzmittel, entwässernde Medikamente und wurde in eine Sauerstoffbox gelegt und wir mussten wieder raus, um abzuwarten, bis wir dran sind.
Eine gute Stunde später dann das Gespräch. Das Wasser könne man wahrscheinlich aus der Lunge bekommen, aber der Thrombus müsse aufgelöst oder operiert werden und während das erste nur geringe Erfolgsaussichten habe, wäre das zweite mit großer Wahrscheinlichkeit tödlich.
Aus zwei Gründen entschied ich mich dafür, bis zum nächsten Morgen zu warten: 1. Hoffnung. Hoffnung, dass ein Wunder geschieht und alles wieder gut wird. 2. Den Kater hatte ich damals mit meinem Ex-Freund/Mitbewohner bekommen und ich wollte, dass er vorher weiß, was passiert und es nicht hinterher erfährt, hatte ihn aber um die Zeit nicht mehr erreicht.
Danach sind meine Schwester und ich weinend durch die Nacht gelaufen und ich habe seit dem auch nicht mehr aufgehört, auch wenn es inzwischen meist nur noch innerlich ist.
Nachdem heute Früh um halb 9 dann der Anruf kam, dass sich nichts geändert hat und die Hinterbeine komplett steif und eiskalt sind, rief ich Lars an. Keine Viertelstunde später war er bei mir und wir hielten und schluchzend in den Armen. In der Klinik konnten wir uns noch eine halbe Stunde von Merlin verabschieden und der Anblick des völlig zugedröhnten und gelähmten Katers beseitigte sofort auch die letzten Zweifel, ob es wirklich das richtige war. Die Hinterläufe waren tot und selbst wenn der Thrombus durch ein Wunder entfernt werden könnte, er würde immer bleibende Schäden haben.
Ich bin normalerweise kein Verfechter des “Leben nach dem Tod” Gedanken, aber in diesem Moment war es richtig und es fühlte sich tröstlich an, ihm zuzuflüstern, dass er es bald geschafft habe und es ihm dann wieder gut ginge und er sich wieder bewegen könne…
Um kurz nach 10 bekam er dann die Spritze und wurde erlöst. 6,5 Jahre ist er gerade mal geworden.
Zum zweiten Mal heute lief ich weinend den Weg nach Hause und als ich einen Schluckauf bekam, sagte Lars: “siehst du, er denkt an dich”. Und wir machten einen Witz darüber, dass wir hoffen, dass man in Wolken nicht mit den Krallen hängen bleibt, so wie er es immer auf flauschigen Decken oder früher beim Teppich gemacht hat und sich beim Laufen erstmal auf die Schnauze gelegt hat. Ich hoffe, er hat noch mitbekommen, dass wir da waren und dass wir ihn schrecklich doll lieb haben.
Leider konnte sich mein anderer Kater nicht mehr verabschieden, aber er spürt, dass etwas nicht stimmt und sucht immer wieder nach ihm… gut, dass ich diese Woche noch Urlaub habe, sodass wir beide nicht allein sind und uns gegenseitig trösten können.
Meine Schwester schrieb mir heute früh noch eine SMS, dass die anderen Katzen im Katzenhimmel ihn sicher Fonziecat McMerlin nennen würden, weil er so cool sei. Und meine Herren, das war er. Wäre er ein Mensch, hätte er sicher auch Haartolle getragen und wäre nur mit Ellenbogen aus dem Autofenster hängend gefahren. Den Kerl hat so leicht nichts erschüttert – bis auf sein Herz…
Merlin, ich werde dich vermissen!
Niemand mehr, der alles durchkaut.
Niemand mehr, der auf meinen Beinen schläft, weil er es liebt, mit erhöhtem Oberkörper zu liegen.
Niemand mehr, der alles, was er findet über das Katzenklo zieht, damit es nicht so stinkt.
Niemand mehr, der den Läufer im Wohnzimmer auf irgendeinen Kotzehaufen zieht, damit er nicht so stinkt.
Niemand mehr, der alles Wasser, was nicht in seinem Napf ist, als “Magic Water” ansieht und unbedingt trinken will (Zahnputzbecher, Dusche, Glas…)
Niemand mehr, der was von meinem Eis abhaben will.
Niemand mehr, der sich selbst auf rotem Untergrund noch unsichtbar machen kann…
Ich hatte eine Assoziation, als ich gestern darüber nachdachte, worauf es vielleicht hinaus laufen würde… ein Gedicht, was zwar für meinen Verlust übertrieben ist, aber das ich schon immer mochte und deswegen auch poste.
~~~~~~ Funeral Blues ~~~~~~~
Stop all the clocks, cut off the telephone,
Prevent the dog from barking with a juicy bone,
Silence the pianos and with muffled drum
Bring out the coffin, let the mourners come.
Let aeroplanes circle moaning overhead
Scribbling on the sky the message He Is Dead.
Put crepe bows round the white necks of the public doves,
Let the traffic policemen wear black cotton gloves.
He was my North, my South, my East and West.
My working week and my Sunday rest,
My noon, my midnight, my talk, my song;
I thought that love would last forever; I was wrong.
The stars are not wanted now; put out every one;
Pack up the moon and dismantle the sun;
Pour away the ocean and sweep up the wood;
For nothing now can ever come to any good.
W.H. Auden
~~~
Stoppt jede Uhr, laßt ab vom Telephon,
Verscheucht den Hund, der bellend Knochen frißt, die roh’n.
Laßt schweigen die Pianos und die Trommeln schlagt,
Bringt heraus den Sarg, ihr Klager klagt.
Laßt die Flieger kreisend – Trauer sei Gebot
An den Himmel schreiben: Er ist tot.
Straßentauben gebt um den Hals starre Kreppkragen,
Polizisten laßt schwarze Handschuh’ tragen.
Er war mir Nord, mir Süd, mir Ost und West;
Des Sonntags Ruh’ und der Woche Streß
Mein Tag, mein Gesang, meine Rede, meine Nacht.
Ich dachte, Liebe währet ewig – falsch gedacht.
Sterne sind jetzt unerwünscht, will nichts sehn davon,
Verpackt den Mond, zertrümmert die Sonn’.
Fegt weg den Wald und des Meeres Flut,
Nie wird es sein, so wie es war. Nie wieder gut.
W.H. Auden (bekannt aus dem Film “Vier Hochzeiten und ein Todesfall”)
Und zu guter Letzt noch ein paar Fotos:
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