Skurrilstes Geschenk mit Hintergrundgeschichte

Aus irgendeinem Grund wurde ich heute an ein Weihnachtsgeschenk erinnert, was ich 2012 bekam und mir damals nur ein extremes WTF?! entlockte. Nein, ist nicht wahr, die Schenkerin stand neben mir und ich schluckte es runter und bedankte mich.

Im Hauptbahnhof stand am 6. November offenbar ein Nikolaus, mit dem man Bilder machen konnte. Sie hielt es für eine gute Idee, sich über eine halbe Stunde lang dort anzustellen, für ein liebloses Bild mit einem (viel zu dünnen und wenig freundlichen) Nikolaus und es mir zu Weihnachten zu schenken.

Eine 39-jährige Frau hielt es für eine süße Idee, das einer 32-jährigen Freundin zu schenken. So ganz im Ernst. Kein Scherz, kein albernes Gegacker, während man da ansteht, kein doofes Selfie, nein, sie stellte sich da alleine an und meinte es todernst.

Jetzt mal ehrlich, das ist ein Geschenk, was man seinen (Groß-)Eltern machen kann. Oder was man im Scherz mit Freunden macht. Aber so?! Ich war ratlos, etwas verstört und um Worte verlegen.

Ein Jahr später war sie tot und ich hatte ein Gespräch mit dem Psychologen, der sie bis dahin in ihrer Kur/Reha/Psychoklinik betreut hatte. (Sie war schwer traumatisiert und nahm tonnenweise Tabletten, um überhaupt existieren zu können.)

Er erklärte mir, dass diese 40-jährige Frau auf dem emotionalen Niveau einer etwa 7-jährigen stehen geblieben war. Sie war nicht doof, war jahrelang verheiratet, hatte studiert und erfolgreich gearbeitet, aber ihre Emotionen und tiefen Bedürfnisse waren auf einem Niveau stehen geblieben, was mich in ihrem Kopf zu einer Art Ersatzmutter oder großen Schwester machte.

Das erklärte viele WTF Momente in unserer Freundschaft und es hätte mir/uns sicher sehr viel weiter geholfen, das zu ihren Lebzeiten zu verstehen. Ich konnte viele ihrer Aktionen/Aussagen/Erwartungen nicht verstehen und habe immer überlegt, wie ein gebildeter und vernünftiger Mensch dazu kommt. Aber da zeigt sich halt, wie wenig Alter und Bildung mit aussagen.

Aber all diese Dinge helfen mir heute weiter, wenn ich auf psychisch kranke Menschen treffe. Ich kann mit vielen Dingen deutlich besser umgehen und anstatt zu sagen “reiß dich zusammen, das ist nicht so”, weiß ich, dass es nicht geht und dass diese Menschen all die rationalen Antworten, die ich ihnen geben kann, selbst kennen, aber dass die Gefühle stärker sind als die Vernunft. Meist macht sie diese Ambivalenz völlig fertig. Zu wissen, dass ihre Ängste irrational sind und sie sich “nur anstellen” vs. die Emotionen, die ihnen einfach eine Angst vermitteln. Da brauchen sie nicht noch einen Menschen von außerhalb, der ihnen sagt, wie albern sie sich benehmen.

Das heißt nicht, dass ich nicht innerlich manchmal mit den Augen rolle und jemandem sagen möchte, dass sein Verhalten lächerlich ist, aber das heißt, dass ich es besser weiß und versuche, da zu sein, anstatt zu urteilen.

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