Hosentaschenpsychologie

Naja, eigentlich ist der Titel falsch, aber mir fiel nichts passenderes ein.
Es geht weniger darum, dass ich mich gerne damit befasse und freiwillig meine Zeit damit verbringe, als darum, dass ich inzwischen mit so vielen kaputten Menschen zu tun hatte, dass ich so viel daraus gelernt habe.

Ich bin niemand, der andere Menschen zwingend in Schubladen steckt. Sei, wie du möchtest, solang du mich anständig behandelst, ist alles gut. Aber mich selbst analysiere ich gerne. Ich bin ein ISTJ, ein Realist, ein extrem introvertierter Mensch, ein könnte-wenn-wollte, ein Mensch, der sehr empathisch ist und gut mit anderen Menschen kann, aber nicht möchte, ein sehr stabiler und selbst-zufriedener Mensch, ein Mensch, der viel mit dem Informations- und dem Apellohr hört, aber dafür nur schwer Zugang zu Menschen mit großen Beziehungsohren hat.

Es macht mir Spaß, diese Dinge über mich heraus zu finden und wenn jemand solche Informationen mit mir teilt, bin ich durchaus auch dankbar, da das das Leben einfacher machen. All diese Dinge über mich zu wissen, hilft mir ungemein, mit anderen Menschen klar zu kommen. Wenn man erstmal verstanden hat, dass jemand hauptsächlich auf dem Beziehungsohr hört, dann versteht man auch, dass man 1. nicht einfach den Mund aufmachen darf und sagen, was man denkt und 2. dass man sich leider auch nicht einfach mit einem “Ich bin nur verantwortlich für das, was ich sende und nicht für das, was du verstehst.” aus der Nummer wieder raus kommt. Auch wenn der Satz meiner Meinung nach korrekt ist und ich es oft sehr anstrengend finde, jeden Satz genau vor-formulieren zu müssen, bevor ich ihn sage und mich dann auf unendlich emotionale Diskussionen einlassen zu müssen, weil es eben doch wieder in den falschen Hals kam. Und ich bin nun echt nicht jemand, der ungefiltert alles raus blökt, was ihm einfällt.

Aber all die Jahre mit solchen Menschen, haben mich sensibel für die Problematik gemacht und ich kann heute einschätzen, woher es kommt, wenn jemand angefressen reagiert und nehme es nicht mehr so persönlich, wie ich es früher getan hätte. Ich bin geduldiger, wenn jemand immer wieder die gleichen [Selbst-] Zweifel äußert und daraus resultierend immer wieder die gleichen Fragen stellt. Wo ich früher zickig geworden wäre, werde ich heute traurig, weil es nur deutlich macht, wie kaputt jemand eigentlich ist und wie viel da in einem Leben schief gelaufen ist. Und wenn mir jemand nicht vertrauen kann, weil er schon so oft verarscht wurde, dann gefällt mir das vielleicht nicht, aber ich akzeptiere es und gebe ihm die Zeit, um zu lernen, dass ich ein wirklich netter Mensch bin und weder verstellt, noch bösartig.

Selbst wenn ich mich mit jemandem im Streit trennen würde, würde ich niemals seine Schwächen in irgendeiner Form ausnutzen. Das ist nicht meine Art und ich kann mir im Moment auch nicht vorstellen, was jemand dafür tun müsste, dass sich das ändert. Und mir wurden schon eine Gaspistole vor die Nase gehalten und ich habe nicht mal zu dem Zeitpunkt mein Wissen in irgend einer Form gegen denjenigen verwendet.

Dafür bin ich aber auch immer noch naiv genug, dass ich glaube/hoffe, dass ich mit meiner Nettigkeit etwas bei solchen Menschen erreichen kann. Dass ich ihnen den Glauben an andere Menschen wenigstens ein klitzekleines bisschen wieder herstellen kann oder dass ich ihr Leben wenigstens für ein paar Momente verbessern kann. Natürlich bin ich nur ein Tropfen auf den heißen Stein und was da teilweise schon seit frühester Kindheit durch die Familie zerstört wurde, kann ich nicht wieder gut machen, das ist mir schon bewusst. Aber ich kann hoffentlich zeigen, dass es auch andere Menschen gibt und man nicht immer auf der Hut sein muss.

Und je mehr man sich damit beschäftigt, desto besser versteht man auch die Leute um sich herum und kann auch die nicht-diagnostizierten Dinge entdecken, die in vielen von uns schlummern.

Als Jugendliche habe ich darüber nachgedacht, Psychologie zu studieren, wobei ich nie in die klassische Therapie wollte, sondern eher weiter in Richtung Musikpsychologie. Hat sich so nicht ergeben, aber spannend finde ich es immer noch und es hilft so sehr im Umgang mit Menschen, wenn man zumindest eine grobe Idee davon hat, was in manchen Köpfen vorgeht. Die Umstände, unter denen ich einen Großteil dessen gelernt habe, waren nicht schön, aber im nachhinein bin ich dankbar und froh darüber, weil ich Menschen, die mir nahe stehen, damit unterstützen und angemessen behandeln kann.

Danke fürs Lesen und ich denke, das war erstmal der letzte Post in diese Richtung. Als nächstes gibt es wieder einen Jahresrückblick und es gibt auch immer noch ein paar Lieder auf meiner Liste.

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